Die Kuh – das unbekannte Wesen

Die Wissenschaftssendung Quarks und Co. des WDR hat sich mit Kühen befasst (18.2.2014)

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Podcast

Gut gemeint, aber schlecht gemacht! Im Vorfeld der Sendung war es durch einen Aufruf des Bauernverbandes und TopAgrar zu einem „Güllesturm“ auf der facebook Seite der Sendung gekommen. Die Fraktion der politischen Veganer hielt munter dagegen.

Diese Reaktionen zeigen, daß Milchviehhaltung in Deutschland ein wichtiges, brisantes und kontrovers diskutiertes Thema ist. Die Chance eine fundierte Einführung ins Thema zu bieten hat die Sendung vertan.

Mit Satire und Wissensklamauk wurde „kostbare“ Sendezeit verschenkt, im Einzelnen:

Es beginnt mit behornten Kühen und Erläuterungen zum Wesen der Kuh. (0:00- 7:00)

Dem wird nun ein „satirisch“ gemeintes Computerspiel entgegengesetzt, allerdings mit angeblich realen Zahlen hinterlegt. Abgesehen davon, daß Satire kein angemessenes Mittel einer Wissenschaftssendung ist kommt dann Quatsch raus wie: „Anbindehaltung ist am wirtschaftlichsten und wer viel verdienen will, wird das machen“ (7:00-10:40)

Das folgende Gedankenspiel zu artgerechter Haltung bleibt oberflächlich. Man hätte zunächst feststellen müssen, daß es für domestizierte Haustiere gar keine artgerechte Haltung geben kann. Artgerecht können Wildrinder in der Natur leben. In der Tierhaltung geht es um „artgerechter“ als Vergleich zwischen verschiedenen Verfahren. Wesensgemäß, Tierwohl, Tiergerechtigkeitsindex umschreiben letztlich das Bemühen des Menschen es dem Tier möglichst gut gehen zu lassen. Zurück in die Natur entlassen, wäre dabei die schlechteste Lösung, da Haustiere i.d.R. in der Natur nicht überlebensfähig sind.

Für mehr Ökologie und Tierwohl kann die angesprochene Weidehaltung sorgen und für mehr Gerechtigkeit in der Welternährung kann der Kraftfutterverzicht beitragen. Spätestens hier hätte man auf die maßlose Überzüchtung heutiger Milchkühe näher eingehen müssen und z.B. den dramatischen Rückgang des Durchschnittsalters faktisch belegen sollen und auch die Abgangsursachen durch haltungs- bzw. zuchtbedingte Krankheiten aufzeigen können.

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Es ging weiter mit „enthornen“, ein wichtiges Tierschutzthema. Kritischer Journalismus hätte festgestellt, daß seit Jahren die EU Bio VO systematisches enthornen verbietet und dann hätte man den „Biohof“ Haus Riswick fragen können, warum sie es dennoch machen. Leider endete die Sequenz wieder mit Klamauk. Das Aufkleben von Rinderkugeln dürfte bei vielen Demeter Rinderhaltern, die nicht gerade für ihren besonderen Humor bekannt sind, zu Lachsalven geführt haben. Über 1000 Demeter Bauern halten ohne Probleme behornte Kühe. Vielleicht sollte Haus Riswick sich mal kompetente Beratung holen, für einen guten Stall und den richtigen Umgang mit behornten Kühen. Und viele Demeter Bauern suchen gute behornte Kühe, von wegen: man könne kein Tier mit Hörnern mehr verkaufen. Und sowas lebt von staatlichen Fördergeldern. (10:40-16:30)

Bei der Ausführung über Züchtung völlig überflüssig weiss-blaue Belgier zu erwähnen, die heute gegen Null Bedutung haben und ein gravierender Fehler : HF sei optimiert auf möglichst viel Fleisch! Schmunzeln… daher werden HF Kuhkälber auch für 10 Euro / Stück verkauft, weil sie sich so gut mästen lassen? (16:30-19:10)

Kuhgeschichten, die zum Teil nicht stimmen (Bier..), auch überflüssig (19:10-22:40)

Zu Methan wäre ein Interview mit Dr. Anita Idel wünschenswert gewesen, die in ihrem Buch „Die Kuh ist kein Klimakiller“ die gesamte Problematik umfassend beschrieben hat.(22:40-24:30)

Den Beitrag über den Schweizer Sauerkrautbauer hätte man sich sparen können, wie wäre es mit einem (auch kuriosen) Hinweis auf 40% methanhemmende Wirkung von Oregano im Futter? Meldung in Agrarheute (24:30-30:00)

Die Geschichte aus der Perspektive des Kälbchens bzw der Kuh 70014 war im Ansatz gut um Fakten der heuten Milchviehhaltung anschaubar darzustellen. Allerdings wurde im Anschluss völlig verpasst Alternativen darzulegen. Das beginnt mit der unwahren Feststellung, eine Kuh müsse immer gleich wieder schwanger werden, nur so könne sie 10 Monate lang Milch geben. Andersrum ist richtig: Die Kuh gibt „nur“ 10 Monate Milch, weil sie gleich nach der Geburt wieder besamt wurde. Bleibt sie ungedeckt, könnte die auch 3 Jahre Milch geben.

Gar nicht erwähnt wurde das Verfahren der muttergebundenen Kälberaufzucht, im Gegenteil, es wurd unwahr behauptet, Milch von Kühen an denen Kälber trinken, dürfe nicht in den Verkauf. Hofgut Rengoldshausen lässt die Kälber bei den Kühen und produziert dabei sogar Vorzugsmilch, für die besonders hohe hygienische Regeln gelten, ein Beitrag über dieses Hof wäre als Kontrast und Beweis der Machbarkeit wünschenswert gewesen. (30:00-35:00)

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Bei der Aussage zu Antibiotika und Keimen wieder ein grober Fehler, nur ein sehr geringer Teil der 15.000 Toten durch Antibiotikaresitenzen (MRSA) ist auf tierische Herkunft zurückzuführen. Die meisten sind reine Krankenhauskeime.

Zuletzt den Bericht aus der preisgünstigen Konserve des Filmarchivs über Temple Grandin hätte man sich sparen können. Ihre Forschungen hatten nur minimale Auswirkungen auf die Gestaltung deutscher Schlachthöfe.(37:18-42:58)

Stattdessen wäre hier ein Bericht über den Rinderflüsterer Hermann Maier und Uria eV wünschenswert gewesen und deren Methode Lebendtransporte in Schlachthöfe komplett zu verhindern und Tiere mit Kugelschuss auf der Weide stressarm zu betäuben und vor Ort zu töten.

Fazit : die halbe Sendezeit war verschenkt. Stattdessen haben wir gar nicht gesehen:

einen ganz normalen deutschen Milchviehhalter, der uns seine Bemühungen um mehr Tierwohl zeigt und von seinen Sorgen und Nöten erzählt. Unerwähnt blieben Arbeitszeiten der Milchbauern, Sorgen um Hofnachfolger, nicht kostendeckende Milchpreise, die enorme Marktmacht der 4 Handelsmonopolisten und die fragwürdige Rolle des deutschen Bauernverbandes in dem ganzen System „Milch“.